Da die Website blogandart.de zur Zeit überarbeitet wird und somit der Link zum Interview derzeit nicht aktiv ist, wurde uns freundlicherweise der Content des Interviews von Joanna Kaminska für unsere Seite zur Verfügung gestellt:
Nicola Meurer erzielte mit Ihrer Werkserie „urban style – stadtdessen“ enorme Resonanz. Die Künstlerin wurde von der Düsseldorfer Dependance des internationalen Beratungsunternehmen Mercuri Urval zur Preisträgerin des jährlichen Kunstpreises „Mercuri Urval Talent Art Award“ gewählt, welcher mit 8000€ und einer Ausstellung am Düsseldorfer Flughafen dotiert ist. Ein Preis, der in den letzten Jahren nur an empfohlene Meisterschüler der Düsseldorfer Kunstakademie vergeben wurde. Doch die Fotografin, die zunächst autodidaktisch ihren Weg begann, ließ die starke Konkurrenz hinter sich. Dies alles wusste ich jedoch nicht, als mir auf der Düsseldorfer ART Carlsplatz ihre besonderen Arbeiten ins Auge fielen und ich mit Nicola in ein erstes Gespräch über den ungewöhnlichen Entstehungsprozess ihrer Werke kam. Ihre gleichnamige Ausstellung im Wirtschaftsclub Düsseldorf wurde bis zum 13.11. verlängert und wir trafen uns dort zum Interview. Bei einem Rundgang sprachen wir über urbane Fotokunst, Sinn und Unsinn von Bildbearbeitung, sowie ihre spannenden Pläne.
Nicola, Du hast erfolgreich in namhaften Werbeagenturen gearbeitet und Dich dann bereits vor 15 Jahren selbständig gemacht. Ein gewagter Schritt, seine Karriere aufzugeben, um sich der Kunst zu widmen. Wie bist Du von der Werbung zur Kunst gekommen?
Den Schritt von der Werbung zur Kunst kann ich gar nicht so klar definieren, denn beide Leidenschaften liefen lange Zeit parallel. Viele wundern sich darüber, warum ich einen lukrativen Marketing-Job aufgegeben habe, um mich in einem hart umkämpften Markt selbständig zu machen. Ich habe mich in der Werbe Branche, in der es ja immer wieder neue spannende Themen und Aufgabenstellungen gibt, schon kreativ gefordert gefühlt. Irgendwann war es mir aber wichtiger, meine Kreativität völlig unangepasst ausleben zu können – mit größtmöglicher Freiheit in Bezug auf „was, wann und wie“. In meiner Selbständigkeit konzentriere ich mich mehr auf den kreativen Part, das Grafik Design, und liebe es, meine Ideen zu 100% einzubringen. Während gerade in großen Agenturen die Aufgabenfelder klar abgegrenzt sind, konnte ich als Freelancer für meine Kunden ein Produkt von der Namensgebung bis hin zur Logogestaltung aufbauen und vermarkten.
Deine Grafik Design-Kenntnisse waren sicher grundlegend für die Entwicklung zu den heutigen Arbeiten. Aber wie und wann hat Deine Kunst- Karriere begonnen?
Die Fotografie wurde mir sozusagen in die Wiege gelegt: Mein Großvater sowie mein Vater fotografierten schon in jungen Jahren. Mein Vater verdiente sich als Student ein Zubrot, indem er Politiker porträtierte. Das faszinierte mich bereits als Kind und ich habe viel Zeit in der Dunkelkammer verbracht. Meine Kunst-Laufbahn begann jedoch erst einmal mit abstrakter Malerei. Zunächst autodidaktisch und dann in Form eines Studiums in einer privaten Kunstwerkstatt. Dort lernte ich das Basiswissen für einen spannenden Bildaufbau und Bildwirkung, nutze zusätzlich viele Techniken intuitiv. Meine heutige Foto-Kunst ist somit die logische Entwicklung aus der Beschäftigung mit Abstraktion und Kompositionen, der Fotografie und den Einflüssen des Grafik-Design.
Kannst Du mir ein Beispiel in puncto Bildaufbau und Bildwirkung nennen?
Das bewusste Abweichen von einer symmetrischen Darstellung kann ebenso die Bildwirkung verändern wie die Anordnung der Objekte am Rand, versus der Platzierung in der Mitte.
Im Falle der Darstellung des Benrather Schlosses, habe ich den rechten Blumenkübel am Bildrand angeschnitten und mit einer Farbfläche verlängert, sodass die Symmetrie der Komposition durchbrochen wird.
Die letzten Jahre waren aufregend für Dich: Durch deine spezielle Inszenierung der Architektur, warst Du bei der Popup Fair 2017 im Düsseldorfer Stilwerk dabei. Ein großes Event…
Das stimmt. Ich habe mich darüber gefreut, vom Kuratorium ausgewählt worden zu sein und bei dieser bekannten Photo Art Messe ausstellen zu dürfen. Vor allem auch gemeinsam mit internationalen Fotografen eines solchen Formats. Es war eine aufregende Zeit mit vielen interessanten Künstlerkollegen und eine echte Bereicherung, Fotografen aus aller Welt kennenzulernen. Zahlreiche Kontakte sind geblieben und ich freue mich darauf, sie in den nächsten Tagen wiederzutreffen. Aber auch der kommunikative Austausch mit den Besuchern und ihr Feedback zu meinen Kunstwerken war sehr spannend.
Ende 2018 hast du dann den “Mercuri Urval Talent Art Award“ gewonnen. Ein weiterer Grund, stolz auf deinen Erfolg zu sein.
Auf diese Auszeichnung bin ich tatsächlich ein bisschen stolz, denn der Wettbewerb war – insbesondere durch die Kunstakademie in Düsseldorf – enorm groß. Die Jury hatte sich für meine Arbeiten entschieden, weil sie Kunst mit einer starken Alleinstellung sucht und meine Neu-Inszenierungen urbaner Architektur besonders fand. Der prägnante Stil meiner damals noch sehr kleinen Werkserie hatte ihnen gefallen und sie haben mir das Vertrauen geschenkt, eine riesengroße Ausstellung auf die Beine zu bringen. Das Preisgeld hat mir die teure Produktion der Kunstwerke als Prints hinter Acryl erleichtert, die Vorbereitung fiel jedoch leider in den „Jahrhundertsommer“. Ich habe mehrere Monate täglich bis zu 15 Stunden gearbeitet, während jeder vernünftige Mensch seine Freizeit bei 37 Grad am Meer oder zumindest irgendwo in Wasser-Nähe verbracht hat. Meine Kreativschmiede unter dem Dach ist zeitweise bis auf 40 Grad hochgeglüht, was die Arbeit nicht gerade erleichtert hat.
Für dich also ein „Jahrhundertsommer“ in doppeltem Sinne. Kannst du uns schon etwas über deine nächsten Aktivitäten verraten?
Ich werde meine Werkserie „urban style | stadtdessen“ um weitere internationale Motive ergänzen. Der bisherige Schwerpunkt lag auf Architektur meiner Wahlheimat Düsseldorf sowie einiger Motive aus Hamburg, Rotterdam und Barcelona. Meine Fotografien aus Dubai, Abu-Dhabi, Marokko und vielen anderen Ländern, die ich in den letzten Jahren bereist habe, warten auf Vollendung.
Planst du auch neue Reiseziele?
Ja, alt und neu zugleich. Meine nächste favorisierte Metropole, in der ich mich fotografisch austoben möchte, ist New York. Ich habe tatsächlich vor mehr als 30 Jahren meine ersten Architekturfotografien in New York geschossen. Es hat sich seitdem natürlich extrem viel getan und daher wird es Zeit für ein Revival. Ich freue mich auf faszinierende Architektur, wie Calatravas „Oculus“, der World Trade Center Transportation Hub im Financial District in Manhattan. Der Bauboom in den letzten Jahren hat aber auch jede Menge Luxuswohntürme hervorgebracht, von denen ich mir solche mit individuellem Charakter, wie „56 Leonard Street“ von Herzog & de Meuron, ansehen möchte. Egal wie lange ich bleiben werde, bin ich mir sicher, dass die Zeit nicht reichen wird. New York hat ja nicht nur Giganten zu bieten, sondern auch spannende Streetart und vieles mehr.
Was ist die Message deiner künstlerischen Auseinandersetzung mit urbaner Architektur der Metropolen – insbesondere in der Werkserie „urban style | stadtdessen“?
Meine Intention ist es, durch den Blick auf Details zu einer bewussteren Wahrnehmung der architektonischen Umgebung zu bewegen und den Sinn für den uns umgebenden gebauten urbanen Raum zu schärfen.
Wie gehst du das Thema an?
Ich versuche, den Charakter eines Gebäudes zu verstehen und durch Fotografie erlebbar zu machen. Fotomotive müssen nicht immer historische Bauwerke, Wahrzeichen oder futuristisches Design sein. Durch Abstraktion und künstlerische Verfremdung kann ich die Wahrnehmung auch auf Architektur-Ausschnitte der Städte lenken, die sich an der Peripherie des Wahrnehmungsumfelds befinden. Das können gleichermaßen Büros wie auch Nutz- oder Industriebauten sein.
Ich biete dem Betrachter neue Perspektiven, den urbanen Raum und die ihn gliedernden architektonischen Strukturen wahrzunehmen. Die Fokussierung auf einen engen Bildausschnitt, die häufig abstrahierten Fotografien, ungewöhnliche Perspektiven und die Symbiose von Fotografie und Grafik erschaffen eine neue Bildwirklichkeit.
Die eigene Dynamik wird insbesondere in deinen mit drei Farbflächen eingefassten Werken spürbar.
In „mirror“ setze ich in einer Fotografie des bekannten Beurs World Trade Center in Rotterdam den Fokus auf einen sehr kleinen Bildausschnitt. Dieser Bereich der Fassade und eines vorgelagerten Anbaus wirkt – aus der Ferne betrachtet – erst einmal unscheinbar. Durch den gewählten Bildausschnitt gleich die Fotografie nun einem abstrakten Bild mit einfachen geometrischen Formen und entfaltet eine vollkommen andere Bildwirkung.
Im Rundgang durch deine aktuelle Ausstellung hast du erwähnt, dass die grafische Komponente sich stets an der fotografischen Komposition orientiert, die im Fokus der Betrachtung steht. Dabei geht es in deinen Werken immer auch um ästhetische Qualitäten.
Das ist richtig. Die kontrastreiche Farbgestaltung der grafischen Elemente soll die Aussage der Fotografie unterstreichen, die Wirkung bestenfalls verstärken. Der künstlerische Prozess folgt dabei keinem fertigen Bildkonzept, sondern entwickelt sich intuitiv. Ich bewege mich meist in der Vintage-Farbpalette, einfach, weil das mein Ding ist. Und ja, Ästhetik ist mir wichtig. Es geht dabei ja viel um biologische Programmierung, Reize und Hirnreaktionen, die bei uns Menschen gleich sind. Aber die ästhetische Wahrnehmung von Kunst unterliegt natürlich auch noch anderen Faktoren, wie kulturellen Einflüssen. Grundsätzlich bin ich ziemlich perfektionistisch, was die Ästhetik meiner Bilder angeht. Manchmal denke ich, dass das Renovieren einer Fassade weniger aufwändig gewesen wäre, als das digitale Retuschieren des Bauwerks. Es gibt Foto-Motive, die durch eine Nachbearbeitung entzaubert werden, aber in meiner Architekturfotografie bevorzuge ich klare Strukturen. Das bedeutet, dass zu viele Kratzer und Vogeldreck auf einem Glasdach das Gesamtbild und damit die Ästhetik schlichtweg stören.
Verständlich. Bei einigen deiner Werke fällt mir auf, dass du die cleanen, geometrischen Formen durch natürliche Elemente aufbrichst und den Bildern die Unnahbarkeit nimmst. Zum Beispiel die Ente in „art is everywhere you see it“, oder die Spiegelung der Bäume in „Industrial Flair“. Eine bewusste Entscheidung, um die im Bearbeitungsprozess entstandene Distanz aufzubrechen?
Exakt. Ich bin jedes Mal beeindruckt, wenn jemand auf so kleine Details achtet und solche Nuancen wahrnimmt. Bei „art is everywhere you see it“ war es tatsächlich eine bewusste Entscheidung, die Ente im Bild zu lassen, da ich zeigen wollte, dass diese sehr abstrakt anmutende Spiegelung des Dreischeibenhauses in der Düssel nicht durch eine Nachbearbeitung des Fotos entstanden ist. Sie war real exakt so zu sehen. Und daher möchte ich auch mit dem gewählten Titel dazu auffordern, genauer hinzuschauen – seine Umgebung wahrzunehmen – denn Kunst findet sich wirklich überall.
Du hast mich durch Deine Ausstellung geführt und im Gespräch Information zum Background und zur Technik der Kunstwerke gegeben. Deine Fotokunst entfaltet ihre Wirkung oftmals zusätzlich durch subtile Verfremdungen. Was macht in Deinen Augen gute Fotografie aus und wie wichtig ist die digitale Bildbearbeitung?
In Zeiten der Digitalisierung, die eine Masse an fotografischem Output hervorbringt, betrachte ich „kreatives Sehen“ als wichtige Eigenschaft eines guten Fotografen. Der Blick für neue Perspektiven oder interessante Bildausschnitte. Die Bildbearbeitung ermöglicht es mir, meine fotografischen „Fundstücke“ noch spannender zu inszenieren und den Fokus auf Details zu setzen. Dieser zusätzliche Spielraum der kreativen Gestaltung empfinde ich als großen Vorteil der Digitalfotografie. Das heißt aber überhaupt nicht, dass ich ein Fan davon bin, jedes geschossene Foto durch irgendeinen Filter zu jagen oder die Sättigung bis zur totalen Verpixelung hochzuziehen. Ich bearbeite meine Fotografien selektiv mit einem professionellen Grafikprogramm. Man sollte ein Gespür dafür entwickeln, wie viel Veränderung dem Bild gut tut und wo man optimieren kann. Die Authentizität darf nicht verloren gehen.
Du fotografierst häufig bekannte Gebäude, Wahrzeichen der Städte. Kommt es vor, dass Du von Firmen oder Privatpersonen beauftragt wirst‚ ihr Gebäude zu fotografieren und künstlerisch „aufzuarbeiten“?
Ja, ich werde tatsächlich oft angesprochen, ob ich auch Auftragsarbeiten annehme. sowas möglich ist. Die Motive „white wave“ und „silver wave“ waren das Ergebnis einer solchen Anfrage. Ein Geschäftsmann mit Unternehmenssitz in den Gehry Bauten fragte mich, ob ich diese in „meinem Style“ inszenieren würde. Das bot sich natürlich an, denn dieses architektonische Kunststück aus Kurvungen, hervorspringenden Fensterrahmen und Asymmetrien bietet unendliche viele Möglichkeiten für Detailaufnahmen. Genauso können „normale“ Wohnhäuser Besonderheiten aufweisen, die ich dann künstlerisch herauszustellen. Das ist eine Herausforderung für mich und wenn es inhaltlich und zeitlich passt, nehme ich solche Aufträge gerne an.
Gut zu wissen. Wie läuft sowas ab?
Die Anfrage und ein Erstgespräch zu den Wünschen des potenziellen Kunden sind natürlich erst einmal unverbindlich. Ich bevorzuge limitierte Auflagen, um eine gewisse Exklusivität zu gewährleisten. Wenn das Projekt realisierbar ist und meinen persönlichen Geschmack trifft, muss der Auftraggeber mir das nötige Vertrauen für den weiteren künstlerischen Prozess schenken. Es gibt Wünsche, auf die ich eingehen kann, aber wenn jemand von mir ein Werk in Rot-Gelb-Lila verlangt, was gegen meine Künstlerehre geht, dann bin ich raus.
Vielen Dank für das Interview und diese spannenden Einblicke in Deine Arbeit, Nicola.
Gerne. Ich danke Dir für das Interesse an meiner Kunst und den Besuch in meiner Ausstellung!